Forschen als Citizen Scientist – ein Erfahrungsbericht
Von den Universitäten Basel und Zürich erhalte ich seit meiner Pensionierung Anfragen zur Teilnahme an diversen Studien. Meist waren es Anfragen zu Studien des menschlichen Körpers: Vermeidung von Schmerz ohne Medikamente, Lippenlesen, Hören in geräuschvoller Umgebung, Lernfähigkeit unter Stress und dergleichen.
Als das Projekt «Was war bekannt?» vorgestellt wurde, regte dies meine Neugierde an. Ich bewarb mich zur Teilnahme und erhielt gleich die Einladung zu einem ersten Treffen.
Zeitungsrecherche
Nach einer Einführung in die Zeitungsrecherche ging es dann auch gleich zügig voran. Ich wählte aus den vorgegeben Untersuchungszeiträumen jeweils ein, zwei Jahre und von denen einige Monate aus. Mein Ziel war, in kurzer Zeit einen guten Überblick zu erhalten, wo sich weitere, vertiefte Recherchen lohnen würden. Als ehemaliger Informatik-Mitarbeiter wurde mir schnell klar, dass ich mich auf ein bestimmtes Element, in meinem Fall die Stiftung Pro Juventute, konzentrieren sollte. Auf diese Weise musste ich nicht Artikel für Artikel durchsehen, sondern konnte die Suchfunktion nutzen. So erhielt ich recht schnell eine Liste mit vielversprechenden Zeitungsartikeln.
Es ist aber auch erwähnenswert, dass sich meine Zeitungsrecherche zur Pro Juventute über weite Jahrzehnte als recht langweilig erwies. Es wurde nämlich ausschliesslich positiv darüber berichtet. Es gab keine differenzierten Meinungen in den Berichterstattungen. Dies sollte sich dann erst in den 1970er-Jahren ändern. Dazu später mehr.
Zwischenbemerkung
Wie erwähnt, war ich in den letzten 35 Jahren vor meiner Pensionierung in der Informatik tätig. Auch wenn die Namen der Organisationen änderten, so war meine Arbeit doch immer die eines Informatikers. Das erklärt, warum mich Themen über Cyber-Sicherheit und Aufdecken von Fake-Informationen in Text, Bild und Video über meine Pensionierung hinaus interessierten und mich immer noch beschäftigen. So stiess ich auf einen Vor-Ort-Kurs bei der Zeitschrift «Beobachter» über genau diese Problematik. Auf diese Weise konnte ich Kontakte zu Journalisten dieses Medienhauses knüpfen.
Warum ich dies erwähne? Wie hinlänglich bekannt, waren es der «Beobachter» und im Besonderen der Journalist Hans Caprez, die in den 1970er-Jahren die Missstände der Fremdplatzierungen durch die Pro Juventute aufdeckten. Vor diesem Hintergrund war es mir ein Bedürfnis, meine Kontakte ins Projekt einzubringen.
Interviews für Social Media
Meine Kontakte bildeten den Ausgangspunkt für ein Interview mit dem «Beobachter»-Redaktor Yves Demuth. Gemeinsam mit Michèle Hofmann besuchte ich die «Beobachter»-Redaktion und wir sprachen mit Yves Demuth über seine Arbeit im Zusammenhang mit Fremdplatzierten und «Verdingkindern».
Gemeinsam mit Sandra Stöckli besuchte ich die mittlerweile berühmt gewordene Uschi Waser. Als Tochter einer Jenischen hat sie Rassismus durch zahlreiche Fremdplatzierungstationen in ihrer Kindheit und Jugend und auch im späteren Leben begleitet. Mit Uschi Waser machten wir ein Video-Interview und erfuhren sehr viel Privates und Berührendes über diese charismatische Frau.
Mich persönlich hat nicht nur interessiert, was in der Vergangenheit über Fremdplatzierung bekannt war, sondern genauso: Was ist heute unter den U50-Menschen noch bekannt? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, habe ich einige Frauen aus meinem privaten Umfeld interviewt. Die Frauen sind in verschiedenen Berufen tätig: Eine ist bei Pro Infirmis engagiert und organisiert Kurse für Menschen mit Behinderung, eine andere ist Pflegefachfrau in einem Pflegeheim und eine dritte ist in einer industriellen Firma zuständig für die Ausbildung der Mitarbeitenden für Erste-Hilfe-Angelegenheiten. Gerne würde ich diese Interview-Serie fortführen und mir völlig unbekannte Personen in einer grösseren Stadt befragen. Vielleicht komme ich irgendwann mal dazu.
Alle Interviews wurden auf dem Instagram-Kanal unseres Projekts veröffentlicht.
Ausblick
Es ist eine spannende Arbeit. Für mich war das Meiste sehr neu und verschieden von dem, was ich beruflich tat. Gelernt habe ich als Mitwirkender in diesem Projekt sehr viel. Ich betrachte meine Arbeit als Ongoing-Job. D.h. ich werde mich weiter mit dem Thema des Projekts beschäftigen. Mein grösster Wunsch wäre ein Treffen mit Hans Caprez.
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