Zur Rolle der Fotos in der Berichterstattung zum Thema «Fremdplatzierung»
Fazitbox
Der Beitrag befasst sich mit der Bedeutung von Bildern in der Berichterstattung von Tageszeitungen zum Thema «Fremdplatzierung». Dazu wurde untersucht, wie das Thema in der Zeitung «Der Bund» behandelt wurde und welche Bilder dabei Verwendung fanden. Aus allen Bildern wurden zwei ausgewählt und detailliert analysiert. Dabei wurde auch auf die Bildunterschriften geachtet, da diese wichtige Informationen enthielten.
Die Analyse der beiden Bilder und der Bildunterschriften zeigt, dass durch deren Verwendung eine Beschönigung des Themas «Fremdplatzierung» stattfand. Aus der Analyse kann man schliessen, dass Bilder dazu dienen können, die Aufmerksamkeit der Leser:innen zu erregen und den Fokus auf bestimmte ausgewählte Aspekte des Themas zu lenken. Die Bebilderung der Artikel hat somit einen wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmung von Fremdplatzierung.
Rubrik: Fremdplatzierung in den Medien
Untersuchungszeiträume:1923–1928, 1937–1944, 1968–1972, 1974–1981
Medium:«Der Bund»
Im Forschungsprojekt «Was war bekannt?» geht es darum, wie das Thema «Fremdplatzierung» von Tageszeitungen im Laufe des 20. Jahrhunderts behandelt wurde. Zentral sind also die Artikel, die in der Neuen Zürcher Zeitung und der Berner Zeitung «Der Bund» zum Thema publiziert wurden. Obwohl Texte als das primäre Mittel der Informationsübermittlung gelten, ist die Zeitung als Medium weit mehr als nur der gedruckte Text. Auch die Bilder, die in Zeitungsartikeln oft eingesetzt werden, spielen eine wichtige Rolle. Es ist die visuelle Komponente, die oft als erster Eindruck bei den Leser:innen hängen bleibt: Ein Bild kann Emotionen wecken, zum Nachdenken anregen, eine bestimmte Wahrnehmung hervorrufen oder auch polarisieren. Es kann den Blickwinkel auf eine Geschichte verändern und eine Nachricht verstärken oder abschwächen.
Doch wie wird eine Geschichte bebildert? Wie wird ein Thema bildlich dargestellt? Und wie beeinflusst diese Auswahl uns Leser:innen? Bezogen auf das heutzutage umstrittene Thema «Fremdplatzierung» stellt sich umso mehr die Frage: Was sollen die Bilder für eine Vorstellung von Fremdplatzierung übermitteln? Diese Fragen veranlassten mich zur Untersuchung, in welchen Zeitungsartikeln zum Thema «Fremdplatzierung» in der Tageszeitung «Der Bund» Bilder enthalten sind, was diese genau darstellen und wie sie in den jeweiligen Artikeln eingesetzt werden.
In diesem Beitrag möchte ich einen Einblick in meine Recherche geben und die Bedeutung der Bilder in der Zeitungsberichterstattung zum Thema «Fremdplatzierung» hervorheben. In einem ersten Schritt habe ich aus unserem Pool von 267 Artikeln der Tageszeitung «Der Bund» jeweils pro Zeitabschnitt diejenigen herausgesucht, die nebst dem Text auch ein oder mehrere Bilder enthalten (34 Artikel). Obwohl dies keine statistische Analyse ist und auch nicht den Anspruch erhebt, eine solche zu sein, ist eine klare Tendenz erkennbar: Die Anzahl der bebilderten Artikel nimmt im Laufe der Zeit zu. Während es in den ersten beiden Phasen (1923–1928 und 1937–1944) nur vereinzelte Artikel mit Bild gibt, so nimmt diese Zahl in Phase 3 (1968–1972) und Phase 4 (1974–1981) deutlich zu. Die Veränderung des Mediums Zeitung und die Entwicklung der Typografie sind hier in Form der zunehmenden Bebilderung zu erkennen.
Im Zuge einer weiteren Analyse habe ich die Bilder in grobe Kategorien unterteilt. Dabei erwies es sich als zweckmässig, die Hauptkategorien dargestellte Personen und Gebäudeaussenansicht festzulegen. Diese Unterteilung ermöglichte eine gezielte Betrachtung und eine differenzierte Auswertung der visuellen Inhalte.
Die erste Hauptkategorie, Personen, umfasst Bilder, auf denen Menschen abgebildet sind. Diese Kategorie kann weiter untergliedert werden, indem zwischen Personen, die als Einzelpersonen dargestellt werden, und mehreren Personen, die in sozialer Interaktion stehen, unterschieden wird. So gibt es zum Beispiel ein Bild, auf dem ein Kind porträtiert ist, und ein anderes, auf dem eine Gruppe von Personen beim gemeinsamen Essen zu sehen ist. Die zweite Hauptkategorie (Gebäudeaussenansicht) konzentriert sich auf Bilder, die verschiedene architektonische Strukturen von aussen darstellen. Hierzu zählen beispielsweise Bilder von Erziehungsheimen im Umbau, psychiatrischen Beobachtungsstationen oder Sonderschulen.
Ich möchte nun zwei Bilder aus der Kategorie Personen herausgreifen, die beispielhaft sind für den Einfluss, den ein Bild auf die Wahrnehmung des Themas «Fremdplatzierung» haben kann. Das erste Bild stammt aus einem Artikel vom 13. Januar 1975 und trägt den Titel «Die Pflegekindschaft in Revision. Besondere Anforderungen an Versorger- und Pflegeeltern» (Der Bund, 13.01.1975). Der Artikel enthält zwei Fotos, auf denen je ein Mädchen abgebildet ist. Ich konzentriere mich hier auf das erste der beiden Fotos.
Betrachtet man das Bild zunächst ganz ohne Wertung, ist Folgendes zu erkennen: Auf dem schwarz-weissen Foto ist ein sitzendes Mädchen zu sehen. Worauf das Mädchen sitzt, ist nicht genau erkennbar. Sein Haar ist zu zwei Zöpfen geflochten, welche je links und rechts über seine Schultern fallen. Zudem trägt es ein helles Stirnband. Es schaut lachend auf das Buch, das es offen in seinen Händen hält. Es trägt einen hellen Pullover und ein dunkles Unterteil (es ist nicht genau erkennbar, ob es sich um einen Jupe oder eine Hose handelt), seine Beine und Knie sind unbedeckt. Man sieht den Ansatz weisser Kniesocken. Im dunklen Hintergrund ist nichts zu sehen. Viel mehr ist auf dem Foto nicht zu erkennen: Ein Bild, welches ohne weitere Kontextualisierung keiner spezifischen Situation zugeordnet werden kann.
Interessant ist es nun, auf die Bildunterschrift zu schauen: «Geborgene Kinder – glückliche Kinder. (Archiv)» (Der Bund, 13.01.1975). Anscheinend soll auf dem Bild also ein behütetes und glückliches Kind zu sehen sein. Die unmittelbare Interpretation liegt nahe: Das Kind lacht, also ist es glücklich. Doch bei genauerem Hinsehen lässt das Foto überhaupt nicht erkennen, ob das Mädchen auch tatsächlich glücklich ist. Nur weil es lacht und dadurch glücklich aussieht, heisst das noch lange nicht, dass es auch glücklich ist. Und noch viel weniger, dass es sich geborgen fühlt, ein Zustand, welchen wir aus einem Bild unmöglich herauslesen können.
Im Zeitungsartikel geht es im Wesentlichen um die bevorstehende Revision des Kindesrechts (1976 beschlossen, ab 1978 in Kraft). Dazumal fehlte im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) eine gesetzliche Regelung, und das Pflegekindwesen war den kantonalen Gesetzen überlassen. Mit der neuen Gesetzgebung zur Pflegekindschaft sollten die wichtigsten Grundsätze einer besonderen Pflegekinderfürsorge im ZGB erfasst werden. Dazu gehörten beispielsweise die Zusprechung von Pflegegeld an die Pflegeeltern sowie eine Pflegekinderaufsicht, die regelmässige Kontrollen der Pflegekindverhältnisse zum präventiven Schutz der Pflegekinder anordnen sollte. Kontrolle und Aufsicht wurden gesamtschweizerisch im Zuge dieser Anpassungen 1978 in der Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern (PAVO) festgelegt (Leuenberger et al., 2011, S. 54–56).
Infobox: Das Kind im Recht
Fremdplatzierungen von Minderjährigen konnten auf der Basis unterschiedlicher Gesetze erfolgen. Neben armenrechtlichen und vormundschaftlichen Bestimmungen wurden auch die kantonalen «Versorgungsgesetze» oder das Jugendstrafgesetz angewandt.
1978 wurde das Kindsrecht im Schweizerischen Zivilgesetzbuch angepasst, das seit 1912 gegolten hatte. Bei dieser Gesetzesrevision wurden unter anderem Kinder verheirateter und unverheirateter Eltern gleichgestellt, was einen Paradigmenwechsel bedeutete. Das Kind und nicht mehr die Eltern wurden ins Zentrum der Bestimmungen gerückt, womit der Kindesschutz eine Neubewertung erfuhr. Auf der Basis dieser Gesetzesrevision wurde erstmals auch eine gesamtschweizerische Bewilligungs- und Aufsichtspflicht für fremdplatzierte Minderjährige festgelegt (vgl. Droz-Sauthier et al., 2024; Janett, 2022).
Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet in einem solchen, im Wesentlichen juristischen und sachlichen Artikel Bilder verwendet werden. Über die Gründe für die Verwendung von bestimmten Bildern in Zeitungsartikeln kann in Abwesenheit des Redaktionsteams natürlich nur spekuliert werden. Dennoch lassen sich Vermutungen anstellen, warum ausgerechnet hier ein solches Bild verwendet wurde.
Zunächst ist ein Bild in einem Zeitungsartikel immer ein «Eyecatcher». Man kann also davon ausgehen, dass das Bild verwendet wurde, um die Aufmerksamkeit der Leser:innen zu erregen. Der Artikel befasst sich mit einem wichtigen Thema und es kann sein, dass es der Redaktion ein Anliegen war, dass möglichst viele Menschen den Artikel lesen.
Darüber hinaus orientiert sich laut Zeitungsartikel das Kindesrecht grundsätzlich am Wohl des Kindes, welches das ultimative Ziel der jeweiligen Fremdplatzierung sei. Von der Erfüllung der emotionalen Bedürfnisse hänge – so wird im Artikel beschrieben – die spätere Lebensanpassung ab. Gleichermassen verhindere ein harmonisches familiäres und pädagogisches Umfeld «neurotische Fehlentwicklungen» (Der Bund, 13.01.1975). Das Bild des glücklichen Kindes (obwohl wir korrekterweise sagen müssten: des glücklich aussehenden Kindes) soll also gewissermassen das Ziel der rechtlichen Revision verbildlichen. Das lachende Kind repräsentiert sein Wohlergehen, welches durch die neue Gesetzgebung in der Fremdplatzierung erzielt und garantiert werden soll.
Schliesslich kann man auch die Hypothese aufstellen, dass das Bild die Schattenseiten der Fremdplatzierung verschleiern und den Eindruck erwecken will, dass die von Fremdplatzierung betroffenen Kinder in ihrer Situation immer glücklich sind. Angesichts des Erscheinungsdatums des Artikels (1975 – also nach der sogenannten Heimkampagne) ist diese Hypothese jedoch eher unwahrscheinlich.
Infobox: «Heimkampagne»
Die Forderungen der 68er-Bewegung nach mehr individueller Lebensgestaltung und für eine breitere gesellschaftliche Mitbestimmung flossen auf unterschiedliche Weise auch in die Praxis der Fremdplatzierung von Kindern und Jugendlichen ein. Medial besonders sichtbar wurde die zunehmende öffentliche Kritik an den hierarchisch und autoritär geführten «Erziehungsheimen» bei der sogenannten Heimkampagne aus Deutschland, die Anfang der 1970er-Jahre auch in der Schweiz Wirkung zeigte. Sie führte zu Reformen im Heimwesen, beispielsweise indem individuelle Bedürfnisse der Jugendlichen stärker gewichtet wurden (vgl. Leuenberger & Seglias, 2015, S. 346–349).
Ein zweites interessantes Bild entstammt einem Zeitungsartikel vom 17. Juli 1981. Das schwarz-weisse Foto zeigt eine Person, die auf einer weichen Unterlage (vielleicht einem Bett oder einem Sofa) auf ihrer rechten Seite liegt. Mit dem rechten gebeugten Arm stützt sie ihren Kopf, der linke Arm hingegen liegt entlang ihrer Hüfte und die Hand ruht auf dem Oberschenkel. Man sieht auf dem Bild nicht, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt und auch nicht, ob es eine jugendliche oder eine erwachsene Person ist (die Körpergrösse lässt jedoch den Schluss zu, dass es sich nicht um ein Kind handelt). Das dunkle Haar der Person fällt ihr ins Gesicht und bedeckt die Augen. Die Person trägt eine Jeans, helle Socken und einen dunklen Pullover. Vor ihr auf der Decke liegt ein Heft: Was darin steht, ist nicht zu erkennen. Hinter ihr, auf einer tapezierten Wand, sind mehrere Poster aufgehängt: So ist zum Beispiel auf der linken Seite ein Poster eines Leoparden ersichtlich. Der Kopf der Person bedeckt teilweise ein Poster, auf dem Motocross-Fahrer zu sehen sind; links hängt ein Poster einer jungen Frau und in der Mitte hängen weitere Poster und ein Dutzend andere kleine Bilder.
Das Foto bebildert einen Artikel mit dem Titel «Jugendstrafrechtspflege im Kanton Bern (I): Straftaten in der heilen Welt der Pubertät. Von den Leidenschaften eines Autonarrs und der Verwahrlosung eines Fixers» (Der Bund, 17.07.1981). Die sehr detaillierte Bildunterschrift lautet:
«Ist der straffällig gewordene Minderjährige in seiner familiären Situation erheblich gefährdet und sind sein Verhalten, seine Erziehung und die persönlichen Lebensverhältnisse für den Jugendrichter schwer durchschaubar, so kann dieser vor dem Urteil zwecks Beobachtung eine provisorische Platzierung in einem Erziehungs- oder Durchgangsheim anordnen. Dort hat der Jugendliche ein eigenes Zimmer und wird täglich therapeutisch betreut (hut)» (ebd.).
Dank der Bildunterschrift erhalten wir also folgende Zusatzinformationen: (1) Es handelt sich um einen Jungen und der Junge ist Straftäter; (2) der Jugendliche befindet sich in einer schwierigen Lebenssituation; (3) der Jugendliche hält sich sehr wahrscheinlich in seinem eigenen «Zimmer» in einem Erziehungs- oder Durchgangsheim auf. Wieso also wurde genau dieses Bild und nicht ein anderes für den Zeitungsartikel ausgewählt?
Der Artikel ist Teil einer siebenteiligen Serie der Berner Zeitung «Der Bund», in der der Jugendstrafrechtspflege auf den Grund gegangen wird. Im diesem ersten Zeitungsbeitrag werden zuerst zwei «Fallbeispiele» von delinquenten Jugendlichen erläutert. Der erste, Albert G., wurde wegen Autodiebstahl und Sachbeschädigung mehrere Wochen in einer psychiatrischen Beobachtungsstation zur medizinischen Untersuchung fremdplatziert. Der andere, David L., wurde wegen Diebstahl und Drogenkonsum provisorisch in einem geschlossenen Erziehungsheim untergebracht. Anhand dieser zwei Beispiele wird im Artikel kurz erklärt, wie bei einem Jugendrechtspflegeverfahren vorgegangen wird (es wird nicht nur der Jugendliche selbst, sondern auch sein Umfeld beobachtet; der Jugendrichter muss sich für die optimale Massnahme oder eine sinnvolle Strafe entscheiden).
Das Bild, das für diesen Zeitungsartikel ausgewählt wurde, soll einen exemplarischen Einblick in das Leben eines Jugendlichen im Erziehungs- oder Durchgangsheim geben: In seinem eigenen Zimmer wird dem Jugendlichen individuelle Gestaltung zugestanden, indem er frei ist, seine Wände mit den eigenen Postern zu bestücken. Die Identität des Jugendlichen ist nicht ersichtlich: Einerseits, um seine Anonymität zu gewährleisten, andererseits vielleicht auch, damit sich die erwähnten «Fallbeispiele» und der Verfahrensablauf theoretisch auch auf alle anderen delinquenten Jugendlichen übertragen liessen.
Auf dem Foto des Jugendzimmers wird der Übergang vom Kinder- ins Teenagerleben ersichtlich: Die Tierposter werden allmählich abgelöst von Motocross- und Star-Postern. Es ist das Zimmer eines straffälligen Jugendlichen im Heim, aber es könnte auch das Zimmer irgendeines anderen nicht straffälligen Jugendlichen sein. Die Stereotypen, die man vielleicht in Bezug auf straffällige Minderjährige hat, sollen dadurch widerlegt werden: Man sieht beispielsweise kein unordentliches, dreckiges Zimmer, in dem womöglich noch gekifft wird. Das Foto hat also einen «normalisierenden» Effekt, was übersetzt heisst: Man muss nicht komplett aus dem Rahmen fallen, um straffällig zu werden. Die Person auf dem Bild könnte genauso gut ein Jugendlicher sein, der keine Straftat begangen hat. Zumindest suggeriert das Bild, dass dies so ist. Man kann also auch bei diesem Foto – wie bereits beim ersten Bild des «glücklichen» Kindes – zum Schluss kommen, dass Abbildungen dazu dienten, Fremdplatzierung (in diesem Fall: die Internierung von Jugendlichen) zu beschönigen. Dieser Schluss liegt gerade auch mit Blick auf die nachwirkende «Heimkampagne» nahe.
Wie aus der Bildanalyse dieser beiden Zeitungsartikel ersichtlich wird, spielen Bildunterschriften eine zentrale Rolle. Oft ist ein Bild nicht selbstredend und wenn wir es aus dem Zusammenhang gerissen betrachten würden, könnten wir es nicht einer spezifischen Situation zuordnen. Bildunterschriften geben uns als Leser:innen die nötigen Kontextinformationen und erklären uns, was wir auf dem Bild zu sehen haben.
Warum genau ein bestimmtes Bild und nicht ein anderes den Weg in einen Zeitungsartikel findet, ist in diesem Fall nicht mit abschliessender Sicherheit zu sagen, denn man kann über die Intention der Redaktion – wie oben schon erwähnt – nur spekulieren. Dennoch kann ein Foto mitbestimmen, mit welchem Blick Leser:innen auf den Zeitungsartikel schauen: Das glücklich aussehende Mädchen bewirkt, dass wir eine positive Einstellung gegenüber der Revision des Kindesrechts haben; der Junge in seinem Zimmer normalisiert unsere Vorstellungen von straffälligen Jugendlichen. In beiden Fällen wird Fremdplatzierung durch das Bild positiv konnotiert, und dies auch, wenn der Zeitungsartikel neutral bleibt: In dem einen Fall, weil Fremdplatzierung zu einem glücklichen und geborgenen Aufwachsen von Kindern führt; im anderen Fall, weil sich straffällige Jugendliche im Erziehungs- oder Durchgangsheim genauso gut entwickeln können wie andere. Die Fotos in den Beiträgen geben uns also über den Text hinaus Informationen darüber, mit welcher Einstellung wir an den Zeitungsartikel herangehen sollen.
Quellen
Schibli, Peter: Jugendstrafrechtspflege im Kanton Bern (I): Straftaten in der heilen Welt der Pubertät. Von den Leidenschaften eines Autonarrs und der Verwahrlosung eines Fixers, in: Der Bund, Nr. 164, 17. Juli 1981, S. 19 www.e-newspaperarchives.ch/?a=d&d=DBB19810717-01.2.13.17.1
Weber, Rolf: Die Pflegekindschaft in Revision. Besondere Anforderungen an Versorger- und Pflegeeltern, in: Der Bund, Nr. 9, 13. Januar 1975, S. 3 www.e-newspaperarchives.ch/?a=d&d=DBB19750113-01.2.11
Literatur
Droz-Sauthier, Gaëlle, Aeby, Gaëlle, Cottier, Michelle, Schoch, Aline, Biesel, Kay, Müller, Brigitte, Schnurr, Stefan & Seglias, Loretta: Rechte von Kindern und Eltern in den Verfahren der PTA von 1912 bis heute. Versprechungen, Errungenschaften und Verbesserungen, in: Christoph Häfeli, Martin Lengwiler & Margot Vogel Campanello (Hg.): Zwischen Schutz und Zwang. Normen und Praktiken im Wandel der Zeit. Ergebnisse Nationales Forschungsprogramm: Fürsorge und Zwang. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft, Bd. 1. Basel: Schwabe 2024, S. 27–41.
Janett, Mirjam: Verwaltete Familien. Vormundschaft und Fremdplatzierung in der Deutschschweiz, 1945–1980. Zürich: Chronos 2022.
Leuenberger, Marco, Mani, Lea, Rudin, Simone & Seglias, Loretta: «Die Behörde beschliesst» – zum Wohl des Kindes? Fremdplatzierte Kinder im Kanton Bern 1912–1978. Baden: hier + jetzt 2011.
Leuenberger, Marco & Seglias, Loretta: Geprägt fürs Leben. Lebenswelten fremdplatzierter Kinder in der Schweiz im 20. Jahrhundert. Zürich: Chronos 2015.
Zur Autorin
Joanna Kopp, geb. 1998, UZH-Masterstudentin in Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Sozialpädagogik und Sozialisation, absolvierte ein Forschungspraktikum im Projekt «Was war bekannt?».
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